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Monday, June 7, 2021

Dragonbox-Pyra-Macher im Interview: Die Linux-Spielekonsole aus Deutschland - Golem.de - Golem.de

Mit viel Verspätung ist die Dragonbox Pyra erschienen. Entwickler Michael Mrozek musste ganz schön kämpfen, damit es überhaupt dazu kam. Wir haben ihn in Ingolstadt zum Gespräch getroffen.

Ein Interview von Martin Wolf
Die Pyra ist modular aufgebaut.
Die Pyra ist modular aufgebaut. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)

Tragbare PC-Spielekonsolen sind im Trend. Seit dem GPD Win gibt es immer mehr Hersteller, die Laptop-Hardware im Hosentaschen-Formfaktor präsentieren - mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Dabei zeigte ein Hobbyprojekt schon vor über zehn Jahren, was mit Linux und in Eigenregie zusammengestellten Komponenten möglich ist: die Open Pandora.

Einer ihrer Initiatoren ist Michael Mrozek aus Ingolstadt. Der gelernte Mediengestalter betreibt seit vielen Jahren unter dem Alias EvilDragon einige Foren und den Dragonbox-Shop für Retrogaming und Handheld-Konsolen.

Der Nachfolger der Open Pandora sollte besser, schneller - und vor allem besser und schneller lieferbar sein. Das hat nicht ganz geklappt. Wir haben uns mit Michael Mrozek in seinem Büro zu einem langen Gespräch über die Widrigkeiten und die positiven Seiten der Entwicklung von Spiele-Hardware abseits des Massenmarktes getroffen.

Golem.de: Fünf Jahre ist es her, dass wir über den Produktionsstart der Dragonbox Pyra berichtet haben. Im Dezember 2020 war es dann endlich so weit, die ersten Geräte wurden ausgeliefert. Daher unsere erste Frage: Warum hat das so lange gedauert?

Michael Mrozek: Wir hatten in einigen Bereichen viel Pech oder einfach schlechtes Timing. Zum Beispiel beim Prozessor: Wir haben ja den OMAP 5 von TI genommen, der damals State of the Art war und das Schnellste, was man bekommen konnte.

Firmen wie Qualcomm verkaufen erst ab Mengen von 100.000, das geht bei so einem Projekt natürlich nicht. Klar: Wenn ich gesagt hätte, ich mache das - wie es andere Firmen gemacht haben - auf Indiegogo und hole mir dementsprechend viele Vorbesteller und ein paar Investoren, wäre das vielleicht möglich gewesen. Aber das wollte ich nie.

So habe ich den Vorteil, dass mir nicht die ganze Zeit ungeduldige Backer im Nacken hocken und ich mir Zeit lassen kann. Dafür habe ich aber natürlich weniger Geld zur Verfügung, andererseits ist das Risiko niedriger.

Beim Projektstart wollten wir die mobile Version haben, die schon als Prototyp draußen war; wir waren mitten in der Entwicklung und Produktion, als es plötzlich hieß: Der OMAP 5 mobil kommt doch nicht mehr, es kommt nur noch der normale OMAP 5 - die Automotive Version.

Dazu muss man wissen: Andere Hersteller, wie Rokchip, hatten damals noch keinerlei Linux-Unterstützung, Texas Instruments galt da als vorbildlich, sie hatten ja auch den Chip für die Pandora und das Nokia N900 geliefert. Allerdings ist dann mehr und mehr auch die Unterstützung für den OMAP 5 weggefallen, weil bei Texas Instruments der mobile Markt weggebrochen ist. Wir mussten trotzdem dabeibleiben, weil wir bereits viel Entwicklungsaufwand betrieben hatten. Der Chip hatte einiges an Hard- und Softwarebugs, die an uns hängenblieben. Das hat uns immense Verzögerungen beschert.

Ein anderer Punkt, der uns viel Zeit gekostet hat, war die Bildschirmrotation. Wir dachten: Okay, der Chip kann das in Hardware leisten, er kann skalieren, rotieren und so weiter. Das funktionierte sogar prinzipiell mit dem Standardtreiber - allerdings nur mit zwölf Bildern pro Sekunde, was für eine Spielekonsole nicht reicht.

TheC64 Mini

Das Problem ist zudem, dass alle kleinen Displays ab 720p Auflösung grundsätzlich im Porträtmodus arbeiten; es gibt keine Landscape-Displays. Ich habe wirklich intensiv gesucht, aber dank der Smartphone-Industrie sind alle Displays nur noch auf Hochkant ausgelegt. Das heißt: Wenn ich ein Bild darstellen will, muss ich rotieren, weil ich am Computer kein Hochkantbild haben möchte.

Wir haben sechs Monate gebraucht, um eine Alternative zu finden. Der neue Rotationschip funktionierte zunächst gut, aber dann tauchten immer leichte Bildfehler auf - was einfach daran lag, dass der Chip nicht mit der Bildausgabe synchronisiert war. So kamen wir also auch nicht weiter.

Prozessor Texas Instruments OMAP 5 SoC, 2x ARM Cortex-A15 @ 1,5 GHz
GPU Cortex-M4PowerVR SGX544-MP2 Vivante GC320 2D-Beschleunigung
Speicher 4GB RAM, 32GB int. Speicher und 3 SD-Slots
Display 5" resistiver Touchscreen 720p
Anschlüsse 2x USB A-Host-Ports (einer kann mit Adapter als eSATA-Port verwendet werden), 1x Micro USB 3.0, 1x Micro USB (Debug und Laden), HDMI
Funk Wi-Fi 802.11a/b/g/n und Bluetooth 4.1, Optional 3G/4G/UMTS, GPS
Akku 6000mAh
Maße 139 x 87 x 32 mm
Spezifikationen der Pyra

Gerettet hat uns jemand aus der Community, der meinte, dass er sich das Problem im OMAP 5 noch einmal low level ansieht. Er hat geschafft, woran selbst der Hersteller des Chips gescheitert war, und innerhalb von zwei Tagen einen Proof of Concept gemacht. Damit funktionierte die Rotation und wir brauchten den Zusatzchip nicht mehr.

Anderes Beispiel: der Speicher. Auch das hat uns wieder ein Jahr gekostet, nur weil jemand gefragt hatte, ob wir nicht 4 GByte verwenden wollten. Ich dachte: 2 oder 4 GByte - ist doch egal, denn der Prozessor unterstützt das. Mein Ansatz war: Das ist bestimmt wie beim PC, stecke ich halt einen Riegel rein - ja, das geht, wenn das Bios das unterstützt, und in dem Fall ist das halt dann die Firmware vom Prozessor. Das Problem war, das hatte noch keiner mit dem SoC getestet.

So waren also die größeren Speicherchips drauf und wir haben ein Jahr gebraucht, um alles vernünftig zum Laufen zu bringen. Wir mussten auf der Hardware-Seite optimieren, weil es Störungen in den Leitungen gab. Und zum anderen war das in der Software noch nicht wirklich implementiert, weswegen der Chip dann regelmäßig eingefroren ist.

Hinzu kamen Fertigungsprobleme. Es gibt vieles, was physikalisch noch nicht passt, weil sich ein Gehäusehersteller nicht an meine Toleranzvorgaben gehalten hat. Jetzt ist es so eng gebaut, dass ich bei zehn Pyras, die ich zusammenbaue, bei acht Schwierigkeiten bekomme, weil irgendwo was schleift. Ich muss tatsächlich extrem viel am Gehäuse von Hand bearbeiten.

Golem: Wie sind Sie überhaupt zur Entwicklung der ersten Linux-Konsole Open Pandora und jetzt der Pyra gekommen?

Mrozek: Das alles fing mit dem GP32-Handheld an, einer kleinen offenen Konsole von Gamepark aus Korea. Ich bin Sammler von Computern und Handhelds und suchte natürlich auch die eher kuriosen Sachen. Ich habe mir die Mühe gemacht und den gekauft und importiert.

Damals ist mir direkt aufgefallen: Es ist super, dass du eigene Spiele darauf laufen lassen kannst, aber du findest sie nicht, weil jeder Entwickler seine eigene Webseite hat. Ich war in der Community und habe vorgeschlagen, ein kleines File-Archiv zu machen und Entwicklern anzubieten, ihre Spiele da hochzuladen - nach Kategorien sortiert und jeder kann sie dann herunterladen.

Irgendwann wurde dann der GP2X als Nachfolger angekündigt und ich habe gesagt: Passt auf, Leute, ihr kennt mich, ich mache das File-Archiv - wollen wir nicht eine Sammelbestellung machen? Ich kümmere mich um den Zoll und verschicke das Ganze hier in Deutschland an euch. Ein Händler regte dann an, einen Shop aufzumachen. Das war der GP2X-Shop, der wirklich nur das Gerät plus Zubehör verkauft hat.

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Die Entwicklung der Pandora lag nicht bei mir, sondern bei jemandem, der das in England ins Leben gerufen hat. Ich wollte sie über meinen Shop verkaufen. Dem Mann ist irgendwann das Geld ausgegangen und da habe ich gesagt: Ich suche Investoren, ich will das Ding hier fertigstellen.

So habe ich die Produktion nach Deutschland verlagert, mit einem Werk, das mir der jetzige Hardware-Designer damals empfohlen hatte. Die Konsole kam mit ein paar Jahren Verspätung. Wir haben mehr als 7.000 produziert und die Produktion hat am Ende fehlerfrei funktioniert. Wir hatten eine Ausfallquote von unter drei Prozent - das war top.

  • Die Pyra ist ein taschenfreundlicher Linux-Rechner. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
Die Pyra ist ein taschenfreundlicher Linux-Rechner. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)

Nachdem die Pandora durch war, habe ich damals schon den Investoren gesagt, dass wir ein weiteres Gerät bauen wollen. Wir haben die Erfahrung, wir haben Firmen, mit denen wir gut arbeiten, wir haben das Know-how, also machen wir weiter! Dass es so schlimm werden würde, hätte ich nie gedacht.

Das erste Problem war schon, dass derjenige, der die Pandora damals in seiner Freizeit designt hat, keine Zeit für den Nachfolger hatte. Wir mussten wieder komplett neu starten. Ich habe damals schon gesagt: Okay, dann will ich mir aber eine Basis schaffen, auf die ich bauen kann, wenn wir wieder Nachfolger brauchen. Wenn ein neuer Prozessor kommt oder irgendein anderer Hardware-Bestandteil obsolet wird, will ich das Ding so haben, dass ich nicht wieder von vorn anfangen muss.

Golem.de: Das heißt, Sie haben bei der Pyra einen Plattformgedanken verfolgt.

Mrozek: Genau, wir haben das Ganze modular gemacht. Es gibt ein Board mit Standardkomponenten wie USB-Ports und den ganzen Controllern - also das, was sich normalerweise nicht ändert. Und wir haben ein Board, das einfach draufgesteckt wird und auf dem im Endeffekt nur der Prozessor plus Power Controller für den Prozessor sowie der interne Speicher drauf sind.

Wenn also zum Beispiel von Rokchip ein neues, interessantes SoC kommt, werden wir das eventuell verwenden können. Das heißt, wir müssen kein neues Gehäuse designen, wir müssen das Mainboard nicht mehr komplett neu machen und vor allem: Ich kann das Ding für die Leute, die schon eine Pyra haben, als Upgrade anbieten. Für uns in der Produktion ist es auch so, dass wir bei einem Ausfall mitunter nur das SoC tauschen müssen.

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Golem: Was haben Sie aus den beiden Projekten gelernt?

Mrozek: Das Wichtigste ist, dass gerade in solchen Projekten Ehrlichkeit eine sehr, sehr große Rolle spielt. Es gibt immer Probleme und nicht alle Projekte scheitern deswegen gleich. Schlecht ist es, wenn sich das anhäuft und die Verzögerung geht in die Monate - das merken die Kunden natürlich. Dann gehen die internen Verschwörungstheorien los. Man muss zwar nicht jedes winzige Detail sofort offenlegen, weil das zu Panik führen kann. Man sollte aber schon ehrlich sein und sagen: Was sind die Konsequenzen, was sind die Folgen, was machen wir dagegen?

Was die Kunden nicht verstehen, ist, wenn du etwas verschweigst. Wenn du auf Nachfragen sagst: Nee, alles gut! und dann läuft etwas schief. Da ist die Vertrauensbasis schnell weg.

Golem.de: Wobei hat Ihnen die Community am meisten geholfen?

Mrozek: Wir hatten wie gesagt in der Community jemanden, der uns Hinweise geben konnte, in welche Richtung wir entwickeln müssen, damit wir den OMAP mit der angesprochenen Bildschirmrotation zum Laufen bringen. Wir waren von der Pandora sehr verwöhnt. Da hatten wir ein paar richtige Low-Level-Coder, die die Konsole stark optimiert haben. Sie konnte 30 Tage mit geschlossenem Deckel angeschaltet herumliegen - und lief immer noch.

Aber diese Freaks, die sagen "Geil, da stürz ich mich jetzt rein!", sind heutzutage sehr schwierig zu finden. Viele sagen inzwischen, sie sind vom Beruf so stark gefordert, dass sie keine Lust mehr haben, nebenbei auch noch zu programmieren. Da hat sich wirklich viel geändert. Man wird immer mehr ausgenutzt im Job und hat einfach abends keinen Bock mehr, sich noch mal an irgendwas dranzusetzen.

Sehr viel wert ist da natürlich die moralische Unterstützung: Wenn Leute hinter einem Projekt stehen, gibt mir das die Motivation, weiterzumachen und alle Schwierigkeiten zu überwinden.

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Golem.de: Wie ist der aktuelle Stand bei der Pyra?

Mrozek: Wir haben auf der Konsole ein Standard-Debian laufen, aber es fehlt noch an Optimierungen. Die Software ist zwar da, aber sie ist teilweise noch sehr krude und nicht komfortabel in der Anwendung. Das entwickelt sich, je mehr Menschen die Pyra haben - das war bei der Pandora genauso.

Das unterscheidet sich ganz klar von anderen Projekten, dass die Community nach dem Kauf sagt: Jetzt habe ich das Gerät, was kann ich damit noch alles anstellen? Das ist kein Produkt, das man nur kauft, um seine ganzen Spiele unterwegs zu spielen. Es ist eigentlich ein Produkt, bei dem ein großer Teil des Spaßes ist, zu verfolgen, wie es sich weiterentwickelt - und sich selbst einzubringen.

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Das Ziel ist aber natürlich ganz klar, dass wir irgendwann sagen: Das Gehäuse ist jetzt perfekt optimiert, es sieht gut aus, ist leicht zusammenzubauen, die Pyra ist modular. Natürlich wird es niemals ein Renner werden wie ein Raspberry Pi oder die ganzen GPD-Produkte. Es ist nicht für den breiten Massenmarkt gedacht. Ich bin eigentlich froh, dass die Community überschaubar ist, das reduziert auch die Trolle. So bleibt es eine erwachsene Community, in der es Spaß macht, sich zu unterhalten. Das gehört für mich einfach zum Produkt dazu.

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Golem: Was würden Sie verbessern, wenn Sie viel Geld zur Verfügung hätten?

Mrozek: Ich würde definitiv eine professionelle Version der Pyra machen. Ich würde einen Gehäusedesigner beauftragen. Es fängt schon damit an, dass wir ganz normale Plastikschrauben im Gehäuse haben. Da könnte man natürlich auch kleine Metall-Inlays machen.

Ich würde mir Firmen suchen, die Erfahrung haben mit Wämeverteilung im Gerät, das ist ja eine eigene Wissenschaft. Auch Verbesserungen im Audiobereich wären denkbar - damit es gut klingt, braucht man eigentlich ein Labor.

Golem.de: Was können wir in Zukunft erwarten?

Mrozek: Die Grundidee der Pyra war, dass wir nicht wie bei der Pandora bei null anfangen müssen. Jetzt geht es darum, dass wir sie verbessern. Das heißt, wir werden uns nach neuen Prozessoren umschauen, die wir verwenden können. Gleichzeitig überlegen wir, wie wir das Gehäuse verbessern können. Es ist ja nichts verklebt, das kann jeder auseinandernehmen. Wenn wir ein verbessertes Gehäuse anbieten, können die Kunden die Originalhardware selbst einbauen.

Es gibt natürlich noch ein paar andere Projekte. Wir haben Flash-Karten für Mega Drive und SNES entwickelt - nicht mit wechselbarer SD-Karte, sondern für die Homebrew-Spieleproduktion. Wir können also on demand in Kleinserie Spielmodule produzieren. Wir arbeiten auch mit Strictly Limited Games zusammen und wir machen die Module für Ultracore und andere aktuelle Titel.

Da bieten wir Full Service, wir brauchen nur die Daten und die Grafiken und dann machen wir das komplett: drucken, Modul, Gehäuse. Wir haben eigene Gussformen, zum Beispiel für die Modulgehäuse, und können jede beliebige Farbe herstellen. So etwas versuchen wir zu unterstützen. Das ist ja der Gedanke der Homebrew-Hobby-Entwicklung - genau wie bei der Pyra.

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