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Monday, October 25, 2021

20 Jahre Windows XP: Der letzte XP-Fan - Golem.de - Golem.de

Windows XP wird 20 Jahre alt - und nur wenige nutzen es noch täglich. Golem.de hat einen dieser Anwender besucht.

Ein Interview von Martin Wolf
Windows XP wird schon sehr lange nicht mehr mit Sicherheitsupdates versorgt.
Windows XP wird schon sehr lange nicht mehr mit Sicherheitsupdates versorgt. (Bild: Martin Wolf / Golem.de)

Mein Freund J. ist kein sturer Technikverweigerer. Er nutzt ein Smartphone, kennt sich mit den Grundlagen der Informationstechnologie aus und arbeitet hinter dem Mikrofon und am Mischpult beim Radio. Er diskutiert auf Facebook, schreibt Mails und hatte sogar mal einen Blog.

Das möchte ich nur vorab erwähnen, denn mein Freund J. nutzt auf seinem privaten Rechner noch immer Windows XP - und das jeden Tag. J. ist Teil eines recht exklusiven Zirkels: Nach Angaben eines Statistikdienstes nutzen nämlich weltweit nur noch 0,59 Prozent der Windows-Anwenderschaft XP.

Was treibt jemanden dazu, auf aktuelle Systeme mit allen Annehmlichkeiten und Sicherheitsfunktionen zu verzichten, um stattdessen mit beträchtlichem Aufwand seine gewohnte Umgebung aufrechtzuerhalten?

Ich habe mich mit einer SSD auf den Weg zu ihm gemacht, um ihm diese und andere Fragen zu stellen. Als Dankeschön für seine Zeit rüste ich seinen PC mitsamt seiner XP-Installation von Festplatte auf den schnelleren Datenspeicher um.

Als erstes starten wir das System und ich bekomme genügend Zeit, um einen frischen Kaffee zu trinken. Es dauert drei Minuten ab dem Drücken des Netzschalters, bis wir den Firefox-Browser geöffnet haben. Ich bewundere schon jetzt die Leidensfähigkeit von J.

Golem.de: Wie alt ist der Rechner?

J.: Hey, so alt ist der noch gar nicht. (lacht) Den hab ich 2014 gebraucht gekauft. Davor hatte ich auch schon so eine alte Siemens-Kiste, die war von 2005.

Golem.de: Und dann hast du deine alte Festplatte einfach in den neuen Rechner gehängt?

J.: Geht ja meist gar nicht. Nein, ich habe natürlich Windows XP neu installiert! Das ganze ein paar Jahre später noch mal. Festplatte abgeschmiert - Bootsektor. Ich habe den Installationssatz für Windows XP-Prof Service Pack 3 und die inoffiziellen Updates für die Kassensysteme, die noch bis 2014 Unterstützung bekamen.

Golem.de: Du hast also die Chance verstreichen lassen, mit dem neuen Rechner auch ein aktuelles System zu nutzen?

J.: Ja, bei Windows 10, das ich auf einem Laptop habe, bin ich komplett hilflos. Ich finde nichts. Ich googele an meinem XP-Rechner dann nach der Lösung. Aber mir ist auch der Bildschirm des Laptops zu klein.

Golem.de: Mochtest du Windows XP von Anfang an?

J.: Neuerungen beim OS waren mir davor immer suspekt. Ich habe mich immer gefragt: Wird das wirklich besser oder nur anders? Was geht nach dem Update vielleicht nicht mehr? Ich habe schon Windows 98 als erstes so gestylt, dass es wie Windows 95 aussah, bei XP dann genauso. Vor Windows hatte ich auf die gleiche Weise versucht, so lange wie möglich DOS zu nutzen.

Bin halt auch Norton-Commander-sozialisiert, weshalb mein Desktop eigentlich der Total Commander ist, ehemals Windows Commander. Kennst du den noch? Windows XP aber erschien mir dann als die erste logische und griffige Entwicklung der Windows-Geschichte. Überhaupt empfand ich die Zeit um 2005 als eine, in der Systeme und Websites sachlicher und rationaler wurden. Gab ein gutes Feeling.

Andererseits wurde in XP trotzdem viel mitgeschleppt von alten Versionen, hier ein Reiter, da ein Tab, dort auf "Erweitert" klicken. Da wäre mehr Übersicht natürlich wünschenswert gewesen.

Ein Blick auf den Desktop von J. zeigt einen kontrastreichen Kalender auf schwarz als Hintergrundbild, darum herum angeordnet sind zahlreiche Programm-Icons. Manche davon - wie der Browser - haben eine spezielle Beschreibung als Dateinamen, um beispielsweise Tabs wiederherzustellen.

Die Taskleiste mit dem Startknopf ist oben, ein Klick auf diesen zeigt eine lange Liste an Ordnern und Software. Die sorgsam benannten Ordner beinhalten beispielsweise Sammlungen von Werkzeugprogrammen. Es ist eine Reise in eine längst vergangene Zeit.

Golem.de: Was machst du normalerweise an deinem Rechner?

J.: Internet, Artikel lesen, Musik und Textaudios hören mit foobar2000, Texte schreiben mit einem alten Office 2003, Sachen des Alltags mit Excel berechnen und visualisieren, Fotos bearbeiten mit dem Micro Graphics Picture Publisher, mit Audacity Audio schnippeln fürs Radio und mit Avidemux Videos, gescannte Texte mit Finereader-OCR einlesen, manchmal noch CDs/DVDs brennen, Notensatz für meine Flötenübung mit dem NoteWorthy Composer, Webeditor natürlich. Ach ja, Telegram und Jabber noch.

Golem.de: Machst du dir keine Sorgen um Sicherheit, wenn du im Netz unterwegs bist?

J.: Nein, wer soll sich für meine alte Maschine interessieren? Ich mache ja nichts Sicherheitskritisches.

Golem.de: Kein Online-Banking?

J.: Ähm, doch. Ich hatte früher Star Money, jetzt mache ich das über den Browser mit einem TAN-Generator.

Golem.de: Was würde dich denn zum Wechsel auf ein neues System bewegen?

J.: Bewegen ist gut. Genötigt sein, würd ich's nennen. Es gibt oft keine x86-Updates mehr für Programme: Audacity und Telegram zum Beispiel, Signal gab's erst gar nicht dafür. Für Jitsy, Zoom und Ähnliches hab ich auch noch keine XP-32-Lösung ans Laufen bekommen.

Mit Win10 würd' ich Sachen verlieren. Zum Beispiel meine geliebte Version von ACDSee merkt sich dort keine Einstellungen. Software, die ich benutze und die mir gut vertraut ist, bekommt man dort teilweise nicht ohne Weiteres zum Laufen. Dann nervt mich die Sache mit den automatischen Updates. Meine erste Handlung war, alle Tricks und Hacks zu suchen, wie man das abschalten kann. Tragisch ist vor allem, dass Firefox seit 52ESR keine Updates für XP mehr 'rausgibt.

Ich habe noch so einen chinesischen Browser gefunden, Maxthon heißt der, der auch Seiten mit etwas aktuelleren Skripten darstellen kann. Skripte würd' ich ja am liebsten komplett abschalten, weil sie nur Rechenleistung und Speicher klauen für überflüssige Features, Tracking und andere Übergriffe. Mein E-Mail-Client Foxmail5 scheitert immer mehr an den neuen Standards für Authentifizierung und Verschlüsselung, bei FTP genauso. Das ist im Moment noch kein OS-Problem, aber könnte so kommen. Manche der Limits könnte ich sicher noch ein bisschen hinausschieben, wenn ich das XP noch mal auf 64bit installieren würde, wobei sich aber selbst mir die Sinnfrage aufdrängt.

Golem.de: Was geht denn sonst nicht mehr?

J.: Webseiten mit neuem Firlefanz, Youtube geht oft nur mit dem Maxthon, manche Seiten nur mit dem letzten x86-Opera. Also eigentlich wird nur ein neues System fällig, weil die Browser mehr und mehr außen vor bleiben. Die Webdesigner stopfen das Netz mit neuem Zeugs voll, das man für die Inhalte nicht wirklich braucht, aber meine Technik unbrauchbar macht. Abwärtskompatibilität war früher.

Golem.de: Wo geht die Reise hin?

J.: Windows 7.

Golem.de: Bist du grundsätzlich dagegen, neue Geräte zu kaufen?

J.: Das ist zwar auch eine finanzielle Frage, aber ich wehre mich prinzipiell dagegen, meinen funktionierenden Laserdrucker wegzuschmeißen, weil es keine Treiber mehr gibt, oder mein funktionierendes Smartphone, weil 3G abgeschaltet wird.

Am Ende des Gespräches haben wir Windows XP recht unkompliziert auf die SSD migriert und sie statt der alten Festplatte eingebaut. Der Rechner startet jetzt mehr als doppelt so schnell. Übrigens ist J. mit seinem Windows XP doch nicht ganz so allein: In Armenien läuft das System anscheinend noch auf mehr als der Hälfte aller PCs.

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