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Wednesday, April 27, 2022

Chinesischer Techkonzern: Tencents teure Wetten aufs nächste große Gaming-Phänomen - DER SPIEGEL

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Artikeln zum Gamingmarkt wird oft der »Krieg der Konsolen« beschworen. Xbox gegen Playstation gegen Switch. Letztlich also Microsoft gegen Sony gegen Nintendo. USA oder Japan. Doch dieser Blick auf den Spielemarkt ist unvollständig und angestaubt. Zum einen ist das Geschäft mit Mobilspielen heute größer als das mit PC- und Konsolenspielen. Zum anderen gibt es eine Firma, die mit Gaming mehr Umsatz macht als jeder der drei Konsolenhersteller: Tencent, ein chinesischer Techkonzern, den ich neulich mit meinem Kollegen Matthias Kreienbrink porträtiert habe.

Bei Tencent darf man ohne Übertreibung von einem Gaminggiganten sprechen. Microsoft etwa schluckt bald wohl Activision Blizzard (»World of Warcraft«) – für 69 Milliarden Dollar. Es wäre die teuerste Übernahme in Microsofts Firmenhistorie und der gesamten Games-Geschichte. Doch auch wenn dieser Megadeal zustande kommt, wird Tencents Gamingsparte voraussichtlich die größte der Welt bleiben.

Der chinesische Konzern, zugleich Mutterfirma von Messengern wie WeChat, betreibt eigene Spielestudios wie die TiMi Studio Group (»Call of Duty: Mobile«) und Lightspeed & Quantum (»PUBG Mobile«). Er hält aber auch die Mehrheit an bekannten Entwicklern wie Supercell (»Brawl Stars«, »Clash of Clans«) und immerhin 40 Prozent an Epic Games (»Fortnite«). Dazu kommen Dutzende weitere Gamingbeteiligungen.

Cosplayerin auf einer Digitalmesse: Zum Gamingimperium von Tencent Games gehören viele bekannte Spielemarken

Cosplayerin auf einer Digitalmesse: Zum Gamingimperium von Tencent Games gehören viele bekannte Spielemarken

Foto:

ALY SONG / REUTERS

Trotzdem ist der Firmenname Tencent im Westen kaum präsent. So kennen Spielefans zwar Riot Games (»League of Legends«, »Valorant«). Doch nicht jedem dürfte bewusst sein, dass das US-Studio seit 2015 vollständig zu dem chinesischen Konzern gehört.

Meine Vermutung ist, dass man im Westen künftig mehr von Tencent hören wird (und damit meine ich nicht nur seinen neuen englischsprachigen Gaming-Podcast). Dafür spricht neben der Ansiedlung von Tencents neuer Blockbuster-Marke »Level Infinite« in Amsterdam die Tatsache, dass Matthias und ich für unseren Artikel überhaupt mit Managern der Gamingabteilung sprechen konnten. Bislang ging Tencent im Westen fast nie auf solche Interviewanfragen ein. Über Tencents Chef Pony Ma heißt es, er vermeide öffentliche Auftritte, wann immer das möglich ist.

Gewinner eines »League of Legends«-Turniers: Der kalifornische Hersteller des Spiels, Riot Games, gehört Tencent

Gewinner eines »League of Legends«-Turniers: Der kalifornische Hersteller des Spiels, Riot Games, gehört Tencent

Foto: Johanna Geron/REUTERS

Per Videocall sprachen Matthias und ich mit Eddie Chan, dem Chief Strategy Officer von Tencent Games Global, und mit Pete Smith, zuständig für den Kontakt zu Partnerfirmen. Beide präsentierten sich als PR-Profis – wohl wissend, wie man sich druckreif und bei heiklen Themen unkonkret und unverfänglich äußert. Uns halfen die Gespräche vor allem, besser einzuschätzen, worauf Tencent bei seinen Gaminginvestments Wert legt.

Hier sind fünf unserer Beobachtungen:

1. Tencent platziert Millionenwetten auf den nächsten Riesenhit

Dass Tencents Gamingsparte schon länger und jetzt verstärkt gen Westen expandiert, liegt einerseits daran, dass das Wachstum im Heimatmarkt lahmt – auch weil Peking die heimischen Tech- und Spielefirmen massiv unter Druck setzt, wie wir im anderen Artikel ausführlich beschreiben. Anderseits sind Gamingtrends längst global und können von überallher kommen. Tencent will an den ganz großen Hypes kräftig mitverdienen.

Eddie Chan erzählte uns, er habe den Eindruck, dass es im Gaming »alle sechs oder sieben Jahre ein neues Phänomen gibt«, wie etwa MOBAs oder MMORPGs. Wenn irgendwo so ein Phänomen entsteht, will der Konzern durch seine Investments möglichst schnell vorn dabei sein. Beim jüngsten Riesentrend, dem Spielprinzip »Battle Royale«, gelang ihm das mit »PUBG Mobile« und »Fortnite« bestens.

»Wir suchen Leute, die das Potenzial haben, den nächsten großen Trend im Spielemarkt zu setzen«, sagte uns Chan. »Wir nennen solche Durchbrüche ›Breakout-Hits‹.«

2. Der Konzern investiert in erfahrene Teams – und hält sich weitgehend raus

Pete Smith deutete an, warum Tencent oft in ganze Studios investiert, statt einzelne Starentwickler oder Spiele einzukaufen. »Es geht um Teams«, sagte der aus Liverpool zugeschaltete Fußballfan. »Du kannst elf einzelne großartige Spieler nehmen, sie aufs Feld schicken und verlangen, dass sie abliefern. Du kannst aber auch ein über Jahre eingespieltes Team haben, das bereits erfolgreich ist, wie den FC Liverpool.«

Bei seinen Investments im Ausland eilt Tencent der Ruf voraus, kaum in den Studioalltag einzugreifen – was auch Chan und Smith betonen. Für potenzielle Geschäftspartner klingt das attraktiv. Tencents oft als »Hands off« beschriebener Führungsansatz könnte aber auch einen politischen Hintergrund haben: Solange der Konzern aus China seine Partnerfirmen nicht allzu sehr beeinflusst, dürfte sich die Empörung der westlichen Politik über Tencents Expansion in Grenzen halten.

Manchmal kann »Hands off«, die betont lange Leine, aber auch fehl am Platz wirken: Bei Riot Games etwa sollen Mitarbeiterinnen systematisch benachteiligt worden sein – auch als das Studio bereits Tencent gehörte.

3. Tencents Zielgruppe sind primär Hardcoregamer

Manche Onlinegames wie »Brawl Stars« wirken extrem auf Zugänglichkeit getrimmt (und natürlich auf In-App-Käufe) – so, als setze sich das Studio Supercell bewusst von komplizierten Blockbuster-Games ab. Eddie Chan aber betonte, dass auch solche Titel aus dem Tencent-Universum sehr wohl in die Richtung passionierter Videospieler zielen. »Die Handygames von Supercell mögen wie Gelegenheitsspiele daherkommen«, sagte er. »Doch sie sind sehr tiefgründig. Darin wirklich gut zu sein, fordert viel Einsatz und Aufmerksamkeit.«

Überhaupt stehe Tencent heute »für ziemlich anspruchsvolle Videospiele«, sagte Chan. »Es sind Spiele für den Massenmarkt, aber letztendlich konzentrieren wir uns auf Hardcoregamer.«

Supercell-Chef Ilkka Paananen mit einer Figur aus »Clash of Clans«

Supercell-Chef Ilkka Paananen mit einer Figur aus »Clash of Clans«

Foto: DPA

4. Es geht Tencent nicht ausschließlich um Live-Service-Games – sagt Tencent

Die größten Hits im Tencent-Universum sind nicht etwa storylastige Vollpreisspiele, sondern Online-Multiplayer-Titel. Kostenlos auf Smartphones oder Computer herunterladbar, ständig um neue Spielanreize erweitert, finanziert durch Mikrotransaktionen und Staffelpässe. Eher unpolitisch und damit global vermarktbar. Angeblich aber ist der Konzern auch für andere Arten von Spielen offen. So sagte uns Eddie Chan: »Wir schreiben unseren Studios nicht vor, was sie dürfen und was nicht. Wollen sie aber wissen, was ihre Spiele in China populärer machen könnte, geben wir Ratschläge.«

Smith ergänzte: »Ich wäre auch an Bord, wenn mir einer unser Entwickler sagt: ›Wir planen etwas im Bereich der Einzelspieler-Erzählungen, das die Spieler wirklich ansprechen und fesseln wird‹.« Die Messlatte aber legt er mit dieser Formulierung recht hoch.

5. Tencent könnte seine Partner und Töchter noch stärker vernetzen

Bemerkenswert fanden Matthias und ich, dass Tencent mit vielen großen Gamingmarken verbandelt ist, diese aber trotzdem oft nur nebeneinanderher existieren. Pete Smith sagte uns dazu, Kollaborationen zwischen Tencents Studios seien tatsächlich noch selten. »Aber wir treiben das Thema voran und ermutigen Entwickler zur Zusammenarbeit.«

Besonders in Zukunft, wenn sich Digitalriesen wie Meta, Microsoft oder eben Tencent um das coolste Metaversum streiten, könnten solche Synergien noch wichtig und hilfreich werden. Vielleicht wird das Metaversum ja doch der nächste große Gamingtrend.

Unseren ersten Artikel über Tencents Gamingimperium, das mittlerweile bis Berlin reicht, finden Sie hier.

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Haben Sie eine gute Restwoche,

Markus Böhm

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