Prügeln, das wissen wir spätestens seit der letzten Oscar-Verleihung, ist eigentlich ja nicht mehr angesagt. Doch in einem kleinen Bereich lässt sich das Voll-auf-die-Zwölf-Hauen weiterhin ganz ohne Schlagscham zelebrieren: in Games. Und das ging nie das so schön und spaßig wie in MultiVersus.

MultiVersus ist gerade ein Gaminghit. In dieser Woche gab der Hersteller bekannt, dass sich nach weniger als einem Monat mehr als 20 Millionen Menschen ins Spiel eingeloggt haben, obwohl es bisher nur in einer Vorabversion online ist. Ein Überraschungshit würde man gerne sagen, aber das stimmt nicht. Denn hinter MultiVersus steht der Multimilliarden-Dollar-Medienkonzern Warner Bros., der durch unzählige Tochterfirmen und Beteiligungen etwa die Rechte an Batman, Harry Potter oder Game of Thrones besitzt. Dieses Kapital macht sich Warner in MultiVersus zunutze und schickt, seinem Titel entsprechend, die Helden der Warner-Universen gegeneinander in den Ring.

Das Prinzip ist einfach: In mehrstöckigen Arenen treffen mindestens zwei Kämpferinnen aufeinander, Ziel ist es, die Gegner aus der Arena zu schubsen. Dazu müssen sie mit Schlägen, Tritten und Spezialfertigkeiten so weit geschwächt werden, dass sie bei der nächsten Berührung aus dem Ring fliegen, die Prügelei findet sowohl auf dem Boden als auch in der Luft statt. Schon mit wahllosem Tastendrücken macht das Spaß. Richtig erfolgreich wird aber nur, wer die richtige Taste zur richtigen Zeit drückt und so Angriffe geschickt kombiniert, das Gegenüber also etwa erst mit einem Kinnhaken in die Luft und dann mit einem kräftigen Schlag von oben wieder auf den Boden zurückbefördert.

Einfach zu lernen, schwierig zu meistern

Kommt Ihnen bekannt vor? Dann haben Sie vermutlich auch Nachmittage im Kinderzimmer mit Super Smash Bros. von Nintendo verbracht. 1999 auf dem Nintendo 64 erschienen, begründete es das Genre der zweidimensionalen Prügelspiele und prägte es. Seit 2018 gibt es den fünften Teil der Serie für die Nintendo Switch. Trotz Versuchen der Konkurrenz von Sony oder Nickelodeon konnte bisher niemand Super Smash Bros. vom Prügelspielthron herunterschlagen. Das liegt insbesondere daran, wie zugänglich Super Smash Bros. sowohl für erfahrene als auch für unerfahrene Gamerinnen ist. Zugänglich ist die Spielmechanik, und zugänglich ist auch der Look aus den knuffigen Super-Mario-Charakteren wie Klempnerbruder Luigi, Prinzessin Peach und Riesenschildkröte Bowser.

MultiVersus setzt auch voll auf Knuffigkeit, indem es den Warner-Charakteren einen freundlichen Comiclook gibt. Das Spiel fühlt sich sehr bekannt an, wenn man Super Smash Bros. kennt: Erst wählt die Spielerin den Spielmodus, dann ihren Charakter. Online werden Gegner und (bei Bedarf) Teampartnerinnen gefunden und schon geht es los. Tasten drücken, prügeln, schon nach gut drei Minuten ist eine Runde in der Regel vorbei, selbst Gaming-Anfänger können ein Match gewinnen. So weit, so einfach, so Super Smash Bros.

Es gibt aber wesentliche Änderungen im Vergleich zum Genrevorbild: Während bei Super Smash Bros. typischerweise Jeder-gegen-jeden-Matches gespielt werden, ist der normale Modus von MultiVersus das Zwei-gegen-Zwei-Teamspiel. Das macht auch deshalb einen großen Unterschied, weil bei MultiVersus die Spielercharaktere viel stärker miteinander arbeiten und Kombinationen spielen können. So gibt es "Tank"-Charaktere wie Superman, die viel Schaden einstecken können, "Unterstützer" wie Velma aus Scooby Doo, die andere Charaktere beschützen und heilen, oder "Schläger" wie Batman, die eben besonders gut im Auf-die-Nuss-Geben sind. Die Unterstützer können etwa Lassos auswerfen, mit denen sich die Schläger länger in der Luft halten und so riskantere Manöver wagen können.

Fair ist das momentan, entsprechend dem Beta-Status des Spiels, noch nicht immer, Bugs Bunny etwa haute mit seinem großen Holzhammer deutlich zu kräftig um sich und wurde direkt abgeschwächt. Schon jetzt knallt und wummst es aber wunderbar, wenn Batman zum Kinnhaken ausholt und Harley Quinn ihren Baseballschläger schwingt. Die Partien werden mit ähnlich starken Gegnern fair zusammengestellt und wenn man doch verliert, weil die Gegnerinnen eben besser waren, ist schnell die nächste Partie gestartet. Das "Nur noch eine Runde"-Gefühl stellt sich schon nach den ersten Matches ein.

Der entscheidende Unterschied zu Super Smash Bros. ist aber trotzdem nicht spielerischer Natur – sondern hat mit Geld zu tun.

Mit Warners Lizenzen lässt sich viel Geld verdienen

Super Smash Bros. kostet laut unverbindlicher Preisempfehlung 70 Euro, einmal gekauft, liegt den Spielern das ganze Spiel offen. MultiVersus ist dagegen free-to-play, es lässt sich kostenlos auf Xbox, Playstation oder den PC herunterladen. Geld verdient das Spiel über die Charaktere: Eine gewisse rotierende Auswahl ist immer kostenlos, zurzeit sind das etwa Batman, Arya Stark aus Game of Thrones oder Basketballer LeBron James (ja, auch an seinem Gesicht hat Warner durch den Film Space Jam: A New Legacy die Rechte). Die übrigen Charaktere müssen im Spiel freigeschaltet werden, entweder mit Gold, das sich mühsam erspielen lässt, oder mit Gleamium, das Spieler gegen echte Euros kaufen können.

Ein Charakter kostet 700 Gleamium, was je nach Größe des gekauften Paketes etwa sechs bis acht Euro sind. Dazu gibt es Gründerpacks zwischen 39,99 und 99,99 Euro, einen Battle Pass, der bei Bezahlung Spielfortschritt stärker belohnt, und kosmetische Spielgegenstände wie besondere Animationen oder neue "Skins", also Charaktermodelle, mit denen Batman dann etwa einen blauen statt eines schwarzen Umhangs hat (macht 2.000 Gleamium, etwa 20 Euro). Dass man mit bunten Umhängen mehr Geld verdienen kann als mit Spieleverkäufen, ist der Branche längst klar, am deutschen Gamesmarkt machen In-Game-Käufe seit Jahren einen wesentlich größeren Anteil als der klassische Spielerwerb aus.

Warner dürfte mit MultiVersus somit weniger Super Smash Bros., sondern einen ganz anderen Konkurrenten im Blick haben: Fortnite, das Spiel, mit dem Entwickler Epic Games Milliarden verdient, weil es besonders jugendliche Gamer und Gamerinnen fasziniertund ihre Eltern in den Wahnsinn treibt. Mit Battle Pass, Skins und neuen Charakteren kopiert Warner das Erfolgsmodell von Epic.

Son Goku spielen? Shut up and take my money!

Ähnlich wie in Fortnite bringt Geldausgeben in MultiVersus keine direkten Vorteile im Kampf – anders als in anderen Spielen ist es (bisher) nicht pay-to-win. Bugs Bunny schlägt immer zu wie Bugs Bunny, egal, ob jemand einen schöneren Skin bezahlt hat oder nicht. Deshalb macht das Spiel auch kostenlos Spaß, zumindest, wenn man sich mit der so begrenzten Auswahl an Charakteren zufriedengeben kann. Die kleine Partie zwischendurch oder mit Freundinnen wird dadurch nicht getrübt.

Dennoch wird Warner gut an den Charakterverkäufen verdienen. Denn auch hier ist das Vorbild Fortnite: Aktuell kollaboriert Epic mit Tōei Animation, den Machern der immer noch erfolgreichen Animeserie Dragon Ball. Selbst als Son Goku durch Fortnite laufen wird damit möglich; ein Traum von kleinen (oder großen) Kindern, der manche Spardose öffnen dürfte.

Gerade deshalb könnte Warners Kalkül aufgehen: Mit Tom und Jerry, Wonder Woman oder Rick and Morty hat MultiVersus schon jetzt echte Größen der Popkultur im Aufgebot. Darüber hinaus hat Warner einen schier unendlichen Schatz an Lizenzen: Von Harry Potter über Matrix-Neo bis zu Godzilla ist alles möglich, nicht zu schweigen von den unzähligen Game-of-Thrones-Charakteren. Selbst die Herr-der-Ringe-Helden von Frodo bis Gandalf wären denkbar.

Auch wenn das Prügelprinzip so einfach wie faszinierend ist: Ob Spielerinnen und Spieler im Battle-Royale-Modus um den Sieg ballern wie in Fortnite oder sich wie in MultiVersus gegenseitig die Hände ins Gesicht zimmern, ist für den Erfolg des Spiels vermutlich gar nicht so entscheidend. Wichtiger für den Konkurrenzkampf mit Fortnite wird sein, wer die angesagteren Charaktere hat. MultiVersus hat dafür eine gute Startposition, ob es aber Fortnite aus dem Ring werfen kann, müssen die Spielerinnen selbst entscheiden – mit ihrem Portemonnaie.